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Schwere Demonstrationen in Moldau

Seit dem 6. September 2015 finden in Moldau kontinuierliche Demonstrationen statt. Trotz Schnee und Eiseskälte harren viele Demonstranten in ihren dürftigen Zelten, mitten in der Hauptstadt Chisinau aus. Alle bisherigen Reformversuche zugunsten einer wirklich demokratischen Regierung, sind in Wirklichkeit fehlgeschlagen, da ein moldauischer Oligarch, wirksam, in Form von Unsummen an Bestechungsgeldern, Abgeordnete, Justiz und den Staatspräsidenten eingekauft hat. Ich habe einen  sehr hohen Respekt vor den Demonstranten in Moldau, die es bisher verstanden haben friedlich und ohne Blutvergießen zu demonstrieren.

Sehr bedenklich allerdings ist die Tatsache, dass deutsche Medien, wie am 20. Januar geschehen, den moldauischen Demonstranten vorwerfen EU-feindlich und damit antidemokratisch zu sein. Es ist beschämend, mit welcher Fahrlässigkeit und Unkenntnis der Lage, in unseren Medien mit diesem Thema umgegangen wird.
Cristina hat mir am 20. Januar, einem Tag an dem die Demonstranten wieder das moldauische Parlament gestürmt haben, einen Sachstandsbericht zugesandt.

Erstmalig habe ich sie völlig außer Atem und verängstigt am Telefon über die Ereignisse berichten gehört. Ich habe ihr versichert, dass wir auch weiterhin in Moldau humanitäre Hilfe leisten würden.

Unsere langjährige Mitarbeiterin Cristina Grossu-Chiriac schreibt:

Bericht aus Moldau vom 21. Januar 2016 Die politische und soziale Lage in der Republik Moldau ist seit längerer Zeit besorgniserregend. Aber die Ereignisse der letzten 2 Wochen sind extrem empörend. Seit einem Jahr prostestieren die Leute friedlich gegen das bestehende Regime, das sich zwar pro-europäisch nennt, aber vom größten Oligarchen, Vlad Plahotniuc, geleitet und in seinen Interessen mißbraucht wird. Vlad Plahotniuc ist ein dubioser Geschäftsmann, stellvertretender Vorsitzender (aber eigentlich Eigentümer) der Demokratischen Partei, die derzeit mit 19 Abgeordneten im moldauischen Parlament vertreten ist. Plahotniuc hat in den letzten Monaten dafür gesorgt, Abgeordnete von anderen Parlamentsfraktionen zu " kaufen ". Es ist ihm gelungen, 14 Abgeordnete (ehemalige Kommunisten), sowie 7 Abgeordnete von der PLDM (Liberal - demokratische Partei) und 13 ehemalige Liberale für seine Interessen zu gewinnen (es kursieren Summen von mindestens 100 bis 300 Tausend Euro für einen Abgeordneten). Vlad Plahotniuc kontrolliert seit Jahren das Justizsystem, samt Staatsanwaltschaft, und alle Antikorruptionsbehörden. Deshalb macht Moldau, trotz Aufforderungen der EU, überhaupt keinen Fortschritt in Richtung Justizreform.

Sehr viel schlimmer ist, dass das Verfassungsgericht dem Oligarchen auch zur Verfügung steht . Es trifft solche Beschlüsse, die von keinem Verfassungsrechtler und auch von keinem normal denkenden Menschen akzeptiert werden können. So hat das Verfassungsgericht z.B. am 29.12.2015 eine neue Interpretation der moldauischen Verfassung erfunden, gemäß der der Präsident nur einen Kandidaten zum Ministerpräsidenten vorschlagen darf, der von der Mehrheit der Abgeordneten akzeptiert wird. Plahotniuc hat jetzt im Parlament 57 bunte Handlanger, die für ihn alles machen würden.

Es war klar, worauf die Interpretation des Verfassungsgerichtes hinaus wollte. Moldau hat schon seit über 80 Tagen keine Regierung mehr . Der Versuch, einen echt pro - europäischen Ministerpräsidenten, Ion Sturza, an der Spitze einer integren Regierung zu wählen schlug fehl - das (Taschen)parlament hatte den vom Präsidenten Nicolae Timofti vorgeschlagenen Kandidaten am 4. Januar boykottiert, d.h. ab sichtlich kein ausreichendes Quorum bei der Parlamentssitzung gehabt und auf den Beschluss des Verfassungsgerichtes aufmerksam gemacht. Bis zum letzten Termin, dem 14. Januar 2016, sollte der Präsident einen anderen Kandidaten vorschlagen. Die Nichtabstimmung des Kandidaten durch das Parlament hätte zur Auflösung und dementsprechend zu vorgezogenen Wahlen geführt .

Im Zentrum der Hauptstadt Chisinau prostestierten viele Moldauer fast täglich, um den Präsidenten ("die stumme Ente") zu ermuntern , einen anständigen Ministerpräsidenten vorzuschlagen. Die Bevölkerung glaubte kaum an die Gerüchte, dass der Oligarch Plahotniuc wirklich Ministerpräsident sein möchte. Schon in den Vorjahren wurde Plahotniuc für eine falsch angegebene Identität von einer Gerichtsinstanz in Rumänien, einem EU - Land, verurteilt. (in Rumänien nennt er sich Vlad Ulinici), In Großbritannien und in Holland wird wegen mehrerer Strafsachen gegen ihn ermittelt. Am 13. Januar 2016 zwang der Oligarch (der größte Bandit des Landes) die Abgeordneten des Parlamentes, ihn zum Ministerpräsidenten zu wählen. Der Staatspräsident Timofti musste ihn ernennen, aber Tausende von Leuten haben sich im Zentrum versammelt, um dies zu verhindern. Parallel hat auch Plahontiuc eine Veranstaltung zu seiner Unterstützung organisiert, zwar gegen Bezahlung (150 bis 200 Lei pro Person, also umgerechnet 6 - 9 Euro!) – an die zehn tausend arme Menschen , darunter Schüler, alte Leute, die keine Ahnung hatten woran sie teilnehmen, und die mit unzähligen Bussen nach Chisinau gebracht wurden, Mitarbeiter der staatlichen Einrichtungen, die von Plahotniuc kontrolliert werden, darunter Postamt und Telekom – diese sogar unentgeltlich, wurden gezwungen Anträge auf Urlaub für einen Tag zu schreiben, um am Protest zur Unterstützung der neuen Regierung "für Stabilität" teilzunehmen. Das Postamt hat noch am gleichen Tag mit einer Pressemitteilung reagiert, da viele Mitarbeiter Mut hatten, ihre Meinung zu äußern. An die von Plahotniuc organisierten Demonstration hat man sogar 12 psychisch Kranke, Patienten einer Anstalt aus Soroca gebracht, was auch Bilder und Statements inzwischen nachweisen. (Die Staatsanwaltschaft reagiert natürlich nicht).

Unter dem Druck der zu Tausenden vor dem Regierungsgebäude und vor dem Präsidialgebäude gegen Plahotniuc protestierenden Leute, hat Präsident Timofti den Kandidaten Plahotniuc doch abgesagt und versprochen, nicht gegen den Willen sein es Volk es zu handeln. Am Nachmittag des 13. Januars 2016, wurde unser Präsident Timofti , für sehr kurze Zeit, und zum ersten Mal, zu einem Helden. Aus einer stummen Ente wurde er zum Schwan (sein Mandat endet im März). Alle warteten darauf, dass er am Abend, wenn der Wahltermin zu Ende ist, einen freien Kandidaten vorschlägt. Die Demokratische Partei bestand weiter auf Plahotniuc. Um 22.00 abends ernannte Timofti unerwarteterweise seinen Berater Ion Paduraru zum Kandidaten. Die Bevölkerung war überrascht, weil Ion Paduraru eine nichtssagende, fast anonyme Person ist. Man spürte was Dubioses daran. Kurz darauf, meldete sich ein Vertreter des Parlamentes und sagte, die Ernennung sei voreilig, denn das Parlament hätte doch noch einen anderen Kandidaten gefunden und wäre bereits unterwegs zum Präsidenten (!). Hierbei handelte es sich um die rechte Hand von Plahotniuc, Pavel Filip! Der Präsident annullierte sein Dekret und ernannte den neuen Kandidaten des Parlamentes.

An diesem Tag hat die Bevölkerung Moldaus extreme Gefühle gehabt. Am zweiten Tag, dem 14. Januar, wurden die Proteste gegen die Abstimmung dieses Kandidaten, mit Parolen "Wir sind das Volk!", "Nieder mit der Mafia!", "Nieder mit Plahotniuc!" , "Nieder mit der Junta!", "Nieder mit den Oligarchen! " massiv wieder aufgenommen.

Gestern, am 20. Januar hat das Parlament um 13.00 Uhr eine außerordentliche Sitzung für 16.00 Uhr angekündigt, an der die 57 Abgeordneten eingeladen wurden. Die Opposition wurde absichtlich zu spät informiert, so dass weniger andersdenkende Abgeordnete, als die 57, anwesend waren. Auf die Anträge der oppositionellen Abgeordneten, eine Pause einzulegen, um auf die Kollegen zu warten, wurde negativ reagiert.

Trotz Einwände und Bemerkungen, dass gegen Vorschriften gehandelt würde, hat das Parlament die Sitzung fortgesetzt und in 30 Minuten, eifrig, ohne Fragen und ohne das Regierungsprogramm zu besprechen, die neue Regierung gewählt. Draußen war das Parlament von Tausenden von protestierenden Leuten umgeben, ich wiederhole, sowohl pro-europäisch als auch pro-russisch orientierte, übrigens haben wir auch Unentschiedene.

Es ist wichtig zu erwähnen, dass sowohl europäisch orientierte, als auch pro - russisch orientierte Leute an diesen Protesten teilnehmen. Die Moldauer haben erkannt , dass das selten in diesem Ausmaß passiert. Jetzt spaltet uns eigentlich besonders die ausländische Presse , die berichtet, die Pro-Russen würden gegen die pro - europäische Regierung protestieren. Es protestieren vernünftige Leute gegen Banditen und Oligarchen, gegen ein Taschenparlament und eine Taschenjustiz. Was ist falsch daran?

Nach der Sitzung konnten die Abgeordenten das Haus des Parlamentes nicht verlassen. Es wurde gestürmt und hunderte von Leuten drangen in das Parlamentsgebäude. Viele Abgeordnete wurden in Uniformen der Polizei und unter Polizei bewachung aus dem Parlament geholt. Das empörte Volk war gestern abend nicht mehr in Grenzen zu halten. Viele hofften, dass der Präsident etwas unternimmt, aber nach 23.00 Uhr abends, hat die neue Regierung klammheimlich den Amtseid abgelegt. Das Volk weiß nicht wo und wie genau. Kurz darauf kam die vom rumänischen Außenministerium verbreitete Meldung, dass man diese neue Regierung unterstütze.

Man gratuliert uns zu einer pro-europäischen Regierung und fordert die Bevölkerung zur Beruhigung auf, da die Regierung legitim sei ? Ist das "europäisch" was in Moldau passiert? Muss das Volk alles über sich ergehen lassen, wenn das "europäisch" genannt wird, um diese Bezeichnung nicht kompromitieren? Verstehen die Europäer welche Folgen das haben kann ? Übrigens, gestern Abend wurden die oppositionellen TV - Sender aus technischen Gründen abgeschaltet, Telekom hat in vielen Regionen auch die Internetverbindungen gesperrt!

In der Hauptstadt Chisinau wurde in mehreren Stadtteilen auch der Strom abgestellt. "Die Stabilität hat schon begonnen! Vielen Dank für die total verzerrte Berichterstattung der westlichen Medien und BBC, die die Hintergründe der politischen Situation in Moldau immer noch nicht begriffen haben.

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